Kinder spielen – sie spielen allein, zu zweit, in Gruppen. Kinder spielen mit Spielsachen, mit Naturmaterialien, ohne irgendetwas. Kinder spielen als Babys, als Kleinkind, spielen als Kindergartenkind, als Schulkind und spielen auch noch als Teenager!
Kinder spielen Schätzungen zufolge schon nur in den ersten sechs Lebensjahren etwa 15‘000 Stunden. Natürlich spielt ein Kleinkind nicht auf dieselbe Art wie ein Schulkind, das Spielverhalten eines Kindes entwickelt sich stetig.
Aber was genau spielt ein Kind in welchem Alter? Wenn ich mit hanni&fred auf Märkten bin, höre ganz oft: „Das sind wunderschöne Spielsachen – aber mein Kind ist dafür leider schon viel zu gross“. Doch ist ein Kind mit vier Jahren tatsächlich bereits zu gross, um mit Zwergen und Blumenkindern zu spielen? Ich sage klar: Nein! Und warum das so ist zeigt uns die Theorie der Spielentwicklung auf.
Gerne möchte ich dir deshalb in diesem Artikel die Entwicklung des kindlichen Spiels vorstellen - damit habe ich mich als Pädagogin und Lerntherapeutin (und nicht zuletzt auch als Mutter) jahrzehntelang auseinandergesetzt.
In der Spielentwicklung wird das kindliche Spiel in Funktions-, Symbol-, Rollen-, Konstruktions- und Regelspiel eingeteilt. Diese Einteilung zeigt, dass sich die verschiedenen Spielformen nicht einfach nacheinander ablösen, sondern auch nebeneinander existieren, um dann auf eine komplexere Art ineinander überzugehen. Der Schwerpunkt im Spiel verändert sich mit dem Älterwerden deines Kindes und entspricht immer seinem Können und Wissen . Wie nun also entwickelt sich das Spiel deines Kindes?
Ab 0 Jahren - Funktionsspiel
Das Funktionsspiel ist die erste Form des Spielens. Dabei erforscht dein Baby die Welt und sich selbst. Aus Freude an der Bewegung erforscht es zuerst seinen Körper und am Anfang sind seine Bewegungen noch ungerichtet und ungesteuert. Mit der Zeit aber kann es seine Bewegungen, wie etwas festhalten oder greifen, bewusst steuern und wiederholt diese Bewegungen immer wieder – einerseits weil es deinem Baby einfach Freude bereitet und andererseits weil es Erfolgserlebnisse hat. Bald werden Gegenstände funktionell in das Spiel einbezogen. Dein Baby kann mit der Rassel Töne erzeugen, es kann Dinge gegeneinander-schlagen oder einen Gegenstand immer wieder zu Boden werfen.
Mit dem selbständigen Erkunden des Spielmaterials beginnt sich dein Kind immer mehr mit der Umwelt auseinander zu setzten. So lernt es spielerisch, dass es verschiedene Grössen, Farben, Formen, Gewichte, Geräusche und Oberflächenbeschaffenheiten gibt.
Das spielerische Erkunden von Materialien und Phänomenen im Funktionsspiel hört aber nicht mit 2 Jahren auf, es ist etwas das deinem Kind in veränderter Form (zum Beispiel im explorativen Spiel) bis ins Teenageralter erhalten bleibt!
Ab ca. 2 Jahren - Symbolspiel
Im Alter von ca. 2 Jahren zeigt sich das Symbolspiel, in welchem dein Kind Gegenstände zu Spielobjekten umfunktioniert. Nun wird aus der Schachtel ein Haus, aus dem Korb ein Hut und aus dem Ast ein Telefon. Dein Kind beobachtet dich nun ganz genau und versucht deine Handlungen nachzuspielen. Es verarbeitet seine Eindrücke, indem es eigene Symbolhandlungen hervorbringt. Dein Kind möchte an der Welt der Erwachsenen teilhaben und in seinem Spiel wiedererkennen, was es beobachtet hat. Im Spiel verbindet dein Kind so Gefühl, Fantasie und Handlung. Man nennt dieses Spiel umgangssprachlich auch „Tun als ob Spiel“ und diese Spiele benötigen schon ein gewisses abstraktes Denken.
Symbolspiele sind die Grundlage der späteren Rollenspiele. Deinem Kind hilft es sehr, wenn du bei seinem Symbolspiel mitmachst, wenn du also auch mit dem Kochlöffel telefonierts oder aus einem leeren Becher genussvoll trinkst. So erlebt dein Kind, dass seine Handlungen verstanden werden, und es kann sich immer besser in der Welt zurechtfinden.
Ab ca. 4 Jahren - Rollenspiel
Das Rollenspiel entsteht zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr und ist eine Erweiterung des Symbolspiels. Dein Kind spielt nun konkrete Szenen des Alltags nach – wie Kochen oder Ferienerlebnisse. Aber es lässt auch seiner Kreativität freien Lauf und erfindet fantasievolle Geschichten mit mehreren Protagonisten, die es spielen möchte. Mal ist es der Vater, dann die Verkäuferin und dann wieder ein Zwerg oder ein Hund. Es spielt mit Puppen und Plüschtieren, mit Holztieren, Zwergen und Elfen oder es verkleidet sich selbst. Dein Kind fühlt sich in andere Personen und Wesen ein und kann die verschiedensten Rollen einnehmen.
Nun wird auch das gemeinsame Spiel mit anderen Kindern immer wichtiger. Im Rollenspiel – ob dein Kind nun selbst eine Rolle einnimmt oder ob es Holzfiguren etwas erleben lässt – verarbeitet dein Kind Erlebtes aber auch Dinge, die es ängstigen, die es noch nicht recht versteht oder die im Freude machen. Auch das Rollenspiel verändert sich mit dem Älterwerden deines Kindes, es wird komplexer und aufwändiger. Und findet seinen Höhepunkt, wenn Teenager zum Beispiel kleine Filme drehen oder Hörspiele aufnehmen oder sogar auch in Computergames, in welchen man in eine Rolle schlüpft und sich in dieser sinnvoll verhalten muss. Diese Art des Spiels ist für dein Kind also viele Jahre lang zentral!
Ab ca. 4 Jahren - Konstruktionsspiel
Mit ca. vier Jahren entwickelt sich das Konstruktionsspiel, in welchem etwas Konkretes entsteht und somit das Produkt für dein Kind im Zentrum steht. Das kann ein Turm aus Bauklötzen sein, eine Rakete aus Kartonschachteln aber auch eine Kulisse aus Tischen, Stühlen und Tüchern oder eine Spiellandschaft aus Naturmaterialien und verschiedenen Spielsachen für ein Rollenspiel.
Im Konstruktionsspiel lernt dein Kind sich zu organisieren. Es braucht nun sogenanntes planvolles Vorausschauen. Dein Kind muss sein Handeln planen – es muss beispielsweise wissen, was es alles für den Bau eines Schlosses braucht, wie das Zwergenland aussehen soll oder was es benötigt, damit alle am Spiel beteiligten Kinder ihre Rolle spielen können. Wie das Funktions- und das Rollenspiel verändert sich das Konstruktionsspiel mit dem Älterwerden deines Kindes und es kann immer herausforderndere Projekte angehen.
Ab ca. 6 Jahren - Regelspiel
Regelspiele, in welchen dein Kind in einer Kindergruppe oder auch allein nach vorgegebenen, sowie selbstbestimmten Regeln einem Spielverlauf folgt, gehören etwa ab dem sechsten Lebensjahr zum Spielrepertoire deines Kindes. Regelspiele haben einen vorbestimmten Anfang und ein vorbestimmtes Ende. Diese Art des Spiels bietet eine gewisse Orientierung und soziale Ordnung. Durch Regelspiele lernt dein Kind auch seine Frustrationstoleranz und seinen Ehrgeiz zu steuern. Zu den Regelspielen zählen Brett-, Karten- und Lernspiele. Aber auch Bewegungsspiele wie Seilspringen, Versteckspiele oder Fangspiele gehören dazu, genauso wie Ballspiele oder Wettkampfspiele.
Noch nicht ausgespielt
Du siehst, die Entwicklung des Spiels ist recht komplex, denn die verschiedenen Spielformen lassen sich nicht streng voneinander abgrenzen, sie bauen aufeinander auf, gehen ineinander über und entwickeln sich weiter auf ein höheres Niveau – und meist existieren sie parallel zueinander weiter. Wichtig scheint mir, dass uns Erwachsenen bewusst ist, dass es diese Spielformen gibt und sie nicht nur für Babys und Kleinkinder gelten.
Bei den Regelspielen ist es Erwachsenen oft am ersichtlichsten, dass sie nicht nur von Kleinkindern gespielt werden. Aber leider herrscht der Glaube vor, dass Regelspiele die einzigen Spiele sind, die ältere Kinder spielen. Und so werden Kindern ab fünf Jahren oft nur noch Regelspiele angeboten, obwohl ein Mix aus den verschiedene Spielformen die gesunde Entwicklung eines Kindes am besten unterstützt und seinen Bedürfnissen entspricht! Oft wird ein Rollen- oder Konstruktionsspiel eines sechs- oder siebenjährigen Kindes als minderwertiges Spiel angesehen. Dabei kann ein richtiges Rollenspiel erst entstehen, nachdem das Kind das Symbolspiel verinnerlicht und es sich so weit entwickelt hat, dass es die nötigen kognitiven, emotionalen und sozialen Leistungen für ein Rollenspiel erbringen kann. Deshalb möchte ich dich ermuntern, dein Kind einfach spielen zu lassen und auch manchmal den Gegenwind, der dir von andern Eltern entgegen kommen mag, mutig auszuhalten – dein Kind wird es dir vielfach danken.
So antworte ich an den Märkten den Eltern gerne: «ich glaube nicht, dass dein vierjähriges Kind zu gross für Fantasiespiel ist. Im Gegenteil, es beginnt erst jetzt die Möglichkeiten von Rollen- und Konstruktionsspiel zu entdecken und zu verfeinern. Ich habe auch acht-, neun- und zehnjährigen Kindern dabei zugeschaut, wie sie vertieft ganze Länder aufbauen und in ihren Spielrollen versinken und in ein komplexes und herausforderndes Rollen- und Konstruktionsspiel eintauchen».
Ich wünsche ganz vielen Kindern Eltern, die sie all die verschiedenen Spielformen ausleben lassen – vom Funktions- bis zum Regelspiel, egal in welchem Alter sie sind. Und dass nicht gewertet wird, ob es nun besser ist, wenn ein siebenjähriges Kind vor allem Regelspiele spielt, sich im Sport auslebt oder ob es vertieft in Rollen- und Konstruktionsspiele versinkt und so fantasievolle und kreative Geschichten erfindet und spielt. Alles ist gut und entspricht der kindlichen Spielentwicklung!
Hier habe ich dir eine Liste zusammengestellt, welche Spielsachen für welche Spielform geeignet sind.
Ich wünsche dir viel Mut und Freude in der Unterstützung des Spiels der Kinder in deinem Leben!
Herzliche Grüsse aus dem Atelier
Monika von hanni&fred
Anja (Mittwoch, 13 März 2024 12:05)
Liebe Monika
Wow, der Artikel ist gold wert! Danke, dass du diese Infos und Ideen auf dem Blog gratis mit uns teilst! Mega büez :-)