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Spielen ist gesund für die Seele

Ich beobachte meinen bald fünfjährigen Enkelsohn, wie er vertieft und konzentriert Bauklötze aufstellt, Tücher ausbreitet, Holzbäume, Äste und Tannenzapfen verteilt und dann zufrieden mit sich und seinem Werk die Zwerge zur Hand nimmt und sie wunderbare Dinge erleben lässt. Leise spricht er vor sich hin, mal als Zwerg, mal als kleines Eichhörnchen oder als Wurzelmeister. Ab und zu bezieht er mich in sein Spiel mit ein. Er spielt versunken - aus seinem Bedürfnis und seinen eigenen Ideen heraus.

 

Jedes Mal, wenn ich Kindern zusehe, wie sie vertieft in ihr Spiel sind, berührt mich dies sehr. Ob ein Kind allein zu Hause im Kinderzimmer oder mehrere Kinder draussen zusammen spielen, immer wird deutlich, wie stark Spielen aus dem eigenen Bedürfnis heraus entsteht und wie bedeutsam und gesund es für das Kind ist. Für dein Kind ist spielen ein bisschen wie atmen. Es tut es die ganze Zeit, ohne darüber nachzudenken. Obwohl Eltern eigentlich wissen, wie wichtig spielen für ihr Kind ist, geht die Bedeutsamkeit im vollen und manchmal überfordernden Alltag vergessen.

 

Da Erwachsene selbst von Leistungsdruck, Arbeitsoptimierung, Termindruck und dauernder Erreichbarkeit stark belastet sind, entwickelt sich das Gefühl, auch Kinder sollten dem allem schon standhalten können und gut dafür gewappnet sein. Aber anstatt darauf zu vertrauen, dass sich Kinder gerade durch ihr Spiel das nötige Rüstzeug für eine herausfordernde Welt holen, halten es viele Eltern für wichtig, ihr Kind früh zu fördern und sie „Sinnvolles“ machen zu lassen. Die Kindheit sollte jedoch keine Akademie sein – sondern einfach die Zeit für kindliches Spiel. Denn alles, was Kinder brauchen, um Herausforderungen zu meistern, eignen sie sich im Spiel an!

 

Kinder handeln noch viel stärker als wir Erwachsenen aus ihren Gefühlen und Bedürfnissen heraus. Spielen hilft deinem Kind, diese auszuleben und darzustellen. Um die Alltagserlebnisse und Erfahrungen emotional verarbeiten zu können, benötigen Kinder das Spiel. Im Spiel erreichen sie so eine emotionale Ausgeglichenheit, die eine grundlegende Voraussetzung für Lernen ist. Fehlt dem Kind die Möglichkeit, spielend Eindrücke verarbeiten zu können, fehlt ihm der Stressabbau und viele Lern- und Entwicklungsprozesse werden verhindert.

Spielen hilft deinem Kind, Gefühle zu verarbeiten

Wenn dein Kind eine komplexe emotionale Situation bewältigen muss, zeigt sich das oft in seinem Spielverhalten.  Zum Beispiel ein Umzug, der Verlust eines Haustieres oder ein Spitalaufenthalt können dein Kind sehr belasten. Wenn du ihm dann die Möglichkeit, Raum und Zeit zum Spielen gibst, kann es die Gefühle von Angst, Trauer oder Schmerz verarbeiten.

Durch das Spiel kann dein Kind Dinge ausdrücken, die es beschäftigen, die es aber noch nicht artikulieren kann. Im fantasievollen selbst-bestimmten Spiel kann dein Kind Erlebnisse oder Ereignisse selbst in Szene setzen und kann spielerisch Situationen meistern, welche ihm fremd oder beängstigend erschienen sind. Oft spielt dein Kind dann die belastende Situation immer und immer wieder nach. Es verändert die Situationen fantasievoll, ganz so wie es dem Erleben deines Kindes im Moment gerade entspricht.

Indem ein Kind zum Beispiel immer wieder Streit mit seinen Plüschtieren spielt, versucht es die Auseinandersetzung auf dem Pausenplatz und die damit erlebten Geschehnisse einzuordnen und zu verstehen, wie sie sich auf es selbst und seine Umwelt auswirken. Im Spiel kann es in seiner Fantasie aktiv handeln und seinen Gefühlen Ausdruck verleihen und so die oftmals bedrohliche Wirklichkeit verarbeiten.

 

Die Fantasie dient deinem Kind sowohl als Zugang zu seiner Alltagsrealität als auch als Rückzug von der Aussenwelt. Fantasievolle Rollenspiele ermöglichen es deinem Kind, ganz verschiedene Perspektiven einzunehmen und Erlebnisse spielerisch zu verarbeiten.

Verschiedene Studien belegen, dass Kinder, die zu intensiv fantasievollem Erleben fähig sind, im Spiel die besseren Möglichkeiten finden, schwierige Erfahrungen zu überwinden.

Spiel kann seine Selbstheilungskräfte und die Möglichkeit zu emotionaler Entwicklung jedoch nur entfalten, wenn dein Kind sein Spielthema selbst wählen kann und selbst bestimmen kann, wie sich sein Spiel entwickeln soll.

 

Ich bin überzeugt, dass fantasievolles Spiel eine Atmosphäre der Geborgenheit, emotionalen Wärme und Annahme braucht. Denn nur wenn die Ideen, Ansichten und Gedanken eines Kindes akzeptiert werden, kann es schöpferisch werden und fantasievoll handeln.

Oft werden leider fantasievolle, originelle und von der Realität abweichende Ideen nur nach Sachlichkeit, Logik, Nützlichkeit und Realität bewertet. In einer solcher Umgebung wird die Fähigkeit zu fantasievollem Erleben verkümmern und entsprechend wird ein Reichtum an Aktivität, Ausdrucksfähigkeit und Initiative unterdrückt. Somit wird es einem Kind viel schwerer fallen, Erfahrungen zu verarbeiten und einzuordnen. Sein seelisches Gleichgewicht ist gefährdet.

 

Deshalb finde ich es so unheimlich wichtig, dass Kinder immer wieder die Möglichkeit bekommen, ganz in ein fantasievolles Rollenspiel einzutauchen, ohne bewertet oder gestört zu werden!

Spielen stärkt die Bindung zwischen dir und deinem Kind

Weil du die erste Spielbegleitung deines Kindes bist, gibst du ihm schon von Beginn an die Möglichkeit, eine Verbindung mit seiner Umwelt herzustellen. Indem du aufmerksam, liebevoll und in Geborgenheit mit deinem Kind spielst, legst du die Grundlage dafür, dass es seine emotionalen und sozialen Fähigkeiten entwickeln kann.

 

Du kennst es sicher - dein Kind bittet dich viele Male am Tag, mit ihm zu spielen. Leider haben wir häufig keine Zeit dazu, weil der Alltag voller Termine und Erledigungen ist. Versuche trotzdem immer wieder Zeit für eine Spielsequenz mit deinem kleinen Schatz zu finden. Denn dein Kind lädt dich zum Spielen ein, weil es sich mit dir verbinden will und weil es intuitiv weiss, wie überlebensnotwendig diese Bindung für es ist.

 

Spielst du mit deinem Kind, so nährt und stärkt dies eine sichere Eltern-Kind-Bindung. Ausserdem macht gemeinsames Spielen auch einfach Spass, man kann zusammen lachen und dieselben Erfahrungen machen. Dies trägt zur Entspannung und zum Abbau von Stress bei und lässt dich und dein Kind enger zusammenrücken.

Gerade bei den Symbol- und Rollenspielen kannst du deinem Kind ganz nahe sein und seine Erlebniswelt durch seine Augen sehen und dein Kind so besser kennenlernen.

 

Ich bin überzeugt, dass Kinder Eltern brauchen, die sich Zeit nehmen wollen, die die Interessen ihres Kindes teilen und sich ihnen achtsam und ehrlich zuwenden. Denn Eltern, die die Fantasie und die Freude am Spiel mit ihrem Kind teilen und ihnen diese Freude am Spiel nicht ausreden, geben den Nährboden für emotionale Sicherheit und eine tiefe Bindung.

Spielen fördert Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit

Kindliches Spielen soll so oft wie möglich ohne Vorgaben von Erwachsenen geschehen. Dein Kind erforscht die Welt auf seine ganz eigene Art und Weise. Es entdeckt seine Vorlieben, seine Fähigkeiten, erkennt seine Stärken und Schwächen und experimentiert mit ganz verschiedenen Materialien. Es schärft im Spiel seine Sinne und stärkt seine Entscheidungsfähigkeit.

Dein Kind bestimmt sein eigenes Spielthema und stellt auch seine eigenen Regeln auf. Wenn du deinem Kind Raum, Zeit und Material zur Verfügung stellst, kommen von allein Spielideen zustande und ein intensives selbstbestimmtes Spiel kann entstehen.

 

Spielen ist so wichtig für dein Kind, weil es dadurch selbständig die Welt entdeckt und fortwährend dazu lernt. Die Erfahrungen, die dein Kind im Spiel macht, stehen im Mittelpunkt. Fast alles, was dein Kind tut, sieht, hört, in der Hand hält oder fühlt, kann zum Spiel werden – Der Ast wird zur Säge, das Sofa zum Spital, die leere Kartonschachtel wird zum Haus und der Korb ist ein Zwergenhut. Der Fantasie deines Kindes sind keine Grenzen gesetzt – lass es aber auch zu und verunsichere dein Kind nicht mit Logik und Sachlichkeit!  Auch wenn dein Kind schon grösser ist, so dürfen sich Fantasie und Realität vermischen, nur so kann dein Kind die Spielwelt entstehen lassen, die seine Seele im Moment benötigt!

 

Wenn du deinem Kind genug Zeit und Raum für freibestimmtes Spiel gibst, wirst du beobachten können, wie es sich ganz seiner eigenen Fantasie hingibt, im Spiel regelrecht versinkt und wie gross seine Freude daran ist – ob es nun allein spielt, mit dir oder mit anderen Kindern zusammen. Du kannst sehen, wie es sich konzentriert seine Welt aneignet und dabei seine Fähigkeiten und Kompetenzen erweitert. Aber auch mit wie viel Neugier dein Kind neue Herausforderungen annimmt und mit wie viel Mut es seine eigenen Grenzen austestet. Spielen gibt deinem Kind Handlungsmöglichkeiten, die es selbst kontrollieren kann. Ob dein Kind nun im Rollenspiel in die Zwergenwelt eintaucht, mit Bauklötzen ganze Türme baut, draussen klettert oder mit dir Uno spielt, dein Kind hat nicht nur Freude am Spielen, sondern es wächst oft richtig über sich hinaus und erlebt sich als selbstwirksam und selbständig. Das spielerische, kreative Lösen von Problemen in einer Spielsituation gibt deinem Kind Erfüllung und viel Selbstvertrauen.

 

Sogar Langeweile ist wichtig – sie ist nämlich eine Quelle der Kreativität! Dein Kind findet durch die Langeweile selbständig neue Möglichkeiten, sich zu beschäftigen und entwickelt neue und eigene Spielideen. Biete deinem Kind deshalb nicht sofort eine neue Beschäftigung an, wenn es sich maulend über Langeweile beschwert, sondern halte es aus. Wenn dein Kind dann nach einer Weile selbständig in ein neues Spiel findet, spürt es, dass es aus sich selbst heraus etwas schöpfen kann und fühlt sich stark und selbstwirksam.

 

Im Spiel eignet sich dein Kind die Welt an. Es trifft selbstbestimmt Entscheidungen im Spielverlauf, aber auch was, wann und mit wem es spielen möchte. Dabei folgt dein Kind seinen ganz eigenen Interessen und Bedürfnissen. Manchmal können Erwachsene die Sinnhaftigkeit des Spiels nicht sehen. Das ist aber auch nicht nötig, da dein Kind selbst dem Spiel seine Bedeutung gibt.

 

Verschiedene Forschungen zeigen auf, dass Kinder, die viel selbstbestimmt spielen dürfen, besser vor den Auswirkungen längerer belastenden oder stressigen Situationen geschützt sind.

Spielen fördert die Kreativität und damit die Problemlösungsfähigkeit

Dein Kind lässt im Spiel seiner Fantasie freien Lauf. Vor allem im Rollenspiel versetzt sich dein Kind in Situationen, die vielleicht in der Realität so nicht existieren. Dein Kind ist etwas oder jemand – eine Fee, ein Bauarbeiter, ein Tier oder es schlüpft in die Rolle der Lehrperson oder der Eltern. Dein Kind hat sein eigenes Bild dieser Rolle, füllt sie mit seinen Vorstellungen und gibt sich ganz in diese Rolle hinein. Dabei erbaut sich dein Kind eine eigene Welt. Durch Ausprobieren, Bauen und Konstruieren mit unterschiedlichen Gegenständen und Materialien eröffnen sich deinem Kind stets neue Erkenntnisse und Möglichkeiten.

 

Dein Kind wird im Spiel immer wieder vor neue unbekannte Phänomene gestellt. Durch seine Neugier diese zu verstehen, sie sich anzueignen und zu nutzen, entwickelt dein Kind kreative Denkmuster und es erweitert so sein Vorstellungsvermögen. So ist dein Kind durch häufiges Spielen besser für herausfordernde Situationen im Alltag gewappnet. Es hat sich im Spiel viele Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, die es dann bei Aufgabestellungen nutzen kann und somit weniger an Herausforderungen verzweifelt.

Spielen überwindet Grenzen

Gemeinsames Spielen hat eine grosse Bedeutung für Freundschaften unter Kindern. Die einfachste Kontaktaufnahme gelingt über das Spiel – so ist spielen der Schlüssel für Miteinander und Begegnung. Ich konnte oft beobachten, wie Kinder spielend in eine neue Kultur hineinwuchsen oder wie sie spielend Kontakt mit Kindern aus anderen Kulturen aufnahmen. Im Spiel ist die Sprache, der familiäre oder kulturelle Hintergrund völlig nebensächlich – im Spiel sprechen nämlich alle Kinder dieselbe Sprache und zeigen Offenheit und Neugier.

 

So sah ich, wie durch Spiel Grenzen überwunden wurden und sich neue Beziehungsmuster entwickeln konnten. Dies ist für ein Kind sehr stärkend und gibt ihm emotionale Sicherheit, wenn es erleben kann, dass es so wie es ist - ohne wenn und aber - angenommen wird. Und das ist ganz einfach durch gemeinsames, selbstbestimmtes, fantasievolles Spielen möglich.

Spielen tut einfach gut!

Wenn dein Kind also am spielen ist musst du dir keine Sorgen machen, dass es nichts Sinnvolles macht. Denke daran, Spielen heisst sich auseinanderzusetzen, gemeinsam etwas zu erleben, entspannt und glücklich zu sein. Dein Kind erlebt im Spiel Glück und Freude, es hilft ihm, Stress abzubauen und mit belastenden Situationen umzugehen und es tut seinem inneren Gleichgewicht gut. Und dies wiederum wirkt sich positiv auf seine Gesundheit und sein seelisches Wohlbefinden aus.

 

Darum – lasse dich doch öfter mal von der Fantasie, Spontanität und Lebensfreude deines Kindes anstecken und spiele mit ihm mit. Es ist auch für Elternseelen wohltuend!!

Ich wünsche dir eine wundervolle Zeit beim Spielen mit deinem kleinen Sonnenschein!

 

Herzliche Grüsse aus dem Atelier

Monika von hanni&fred

Kommentare: 2
  • #2

    Monika von hanni&fred (Sonntag, 21 Januar 2024 21:41)

    Liebe Beatrice,
    ganz herzlichen Dank für deine lieben Worte! Dein Feedback berührt mich sehr!
    Liebe Grüsse
    Monika von hanni&fred

  • #1

    Beatrice (Samstag, 20 Januar 2024 07:24)

    Liebe Monika
    Ich danke Dir von Herzen für Deine Blogeinträge. Sie sind einfach wunderbar und es lohnt sich jeden Einzelnen aufmerksam zu lesen. Deine Liebe zu den Kindern berührt und fasziniert mich sehr, und immer wieder von Neuem! Die Wichtigkeit des Spiels für unsere Kinder ist in unserer kompliziertgewordenen Welt von grosser, unterschätzten Bedeutung. Dein neuster Blog, " Spielen ist gesund für die Seele", spricht mir aus dem Herzen. Danke dafür!
    Herzlich Bea